Der SC Magdeburg ist durch das Raster der EHF gefallen. Die neuen Kriterien, welche umstritten und undurchsichtig bleiben, zwingen zur Teilnahme am European Cup. Dabei ist das sportliche Umfeld bei weitem gut genug für die Champions League. Offizielle müssen klein beigeben, doch Journalisten dürfen und müssen kritische Fragen stellen. „Was sich die EHF erlaubt, ist echten Fans ein Dorn im Auge“, meint elbsport-Redakteur Johannes Sill.
Transparenz, Kriterien, Sponsorenpotential? Die EHF ändert wieder einmal die Regularien und Kriterien zur CL-Qualifikation. Statt der geplanten 37 Teams lässt der Verband nun doch nur 31 in der höchsten europäischen Spielklasse zu. Anstelle von drei Quali-Turnieren findet dieses Jahr doch nur eins statt, mit lediglich vier Teilnehmern. Vereine wie der SCM (oder auch HBC Nantes und RK Nexe) schauen in die Röhre und spielen notgedrungen EHF-Pokal. Die Auswahl der Teams, die teilnehmen dürfen, findet hinter verschlossenen Türen statt. Was den Ausschlag gibt, ist merkwürdig formuliert und undurchsichtig. Welche Vereine ausgewählt werden und warum, das steht in den EHF-Sternen. Offizielle dürfen sich nicht beschweren, weil sie abhängig vom System sind. Die EHF hat zu viel Macht über die Vereine, aber ich darf meine Meinung rausposaunen.
Erstens: Die deutsche Liga ist die beste der Welt. Punkt! Es besteht keine Frage, dass die besten fünf Vereine in Deutschland Europa-tauglich sind. Der SC Magdeburg eingeschlossen. Im Detail: Die Kapazität der GETEC Arena ist, gemessen am CL-Durchschnitt, mit 7.782 Plätzen übergroß. Die internationalen Erfolge des SCM stechen viele andere Teilnehmer aus. 2002 CL-Sieger, EHF-Pokalsieger 2007 sind mehr Titel als einige Vereine in ihrer gesamten Geschichte erreicht haben. Dieses Jahr, im denkwürdigsten DHB-Pokal-Finale der Geschichte, unterlag der SCM der SG Flensburg unsäglich knapp. Die riesengroße Qualität des Kaders, der Arena und der Fans steht im Jahr 2015 außer Frage. Die Platzierung in der HBL und im Pokal zeigen, dass Magdeburg überall mitmischen kann. Wo liegen dann die Gründe, weswegen der SCM nicht in der europäischen Erstklassigkeit ran darf?
Wer darf mit? Qualität gegen Internationalität
Kein wichtiger Titel seit 2007? Keine ausreichende VIP-Versorgung? Keine gute Pressearbeit? Das sind nur einige der Kriterien, die hinter verschlossenen EHF-Türen beschlossen werden und entscheiden, wer in der europäischen Erstklassigkeit spielen darf. Bei aller Liebe für Mazedonien, aber wie kann ein Verein wie RK Metalurg Skopje direkt für die CL qualifiziert sein? Nationaler Titel hin oder her, Großstadt beziehungsweise Hauptstadt hin oder her. Die Zuschauerkapazität kann kein ausschlaggebender Indikator sein. Die ist in Mazedoniens Hauptstadt erschreckend klein. 2.000 Leute passen in die Avtokomanda Hall. Aber vielleicht kann man in die größere Halle des Lokalrivalen RK Vardar Skopje ausweichen. Dort passen sage und schreibe 2.500 Zuschauer in die SCR Kale. Zuschauerkapazität, folgt man den Kriterien der EHF, ist somit überhaupt nicht wichtig.
Geht es bei der Wahl vielleicht auch um sportliche Qualität? Nein, es scheint, als wäre die EHF an Ländern per se interessiert. Nicht an der Hochwertigkeit der Kader. Das zeigt sich vor allem bei der Auswahl der vier Teams, die das einzige Quali-Turnier spielen dürfen. Klar ist der österreichische Meister mit dabei (Alpla HC Hard), der bosnische Meister (RK Borac) darf nicht fehlen, der niederländische Meister (OCI-Lions) verdient auch eine Chance und der norwegische Meister (Elverum) muss um einen CL-Platz spielen dürfen. Aber haben diese Mannschaften die Qualität eines SCM oder geht es der EHF darum, die Champions League mit Teilnehmern aus vielen verschiedenen Ländern Europas zu schmücken?
Anschließend könnte man sich auch noch fragen, warum dieses Jahr nur ein Turnier mit so wenigen Mannschaften stattfindet. Lasst doch die Teams untereinander ausmachen, wer gut genug ist mitzumischen bei den Großen wie Barcelona, Kiel, Veszprém oder dem deutschen Pokalsieger Flensburg. Nun müssen sich SCM-Fans damit zufriedengeben, dass man nicht einmal eine Chance auf die Qualifikation bekommt. Warum fällt der SCM durchs Raster, obwohl die sportliche Qualität und die Kapazität der Arena außer Frage steht?
Kriterien? Am Ende doch nur das liebe Geld
Laut EHF geht es bei den erneuerten Kriterien nicht nur „um die Kapazität und nicht nur um die Erfolge auf nationaler und internationaler Ebene“. Es geht auch um das ominöse Wort „Sponsorenpotential“. Im Klartext: Geld! Geld von großen Sponsoren, die den Handball fördern und vor allem der EHF Geld in die Kasse bringen. In einem Ranking werden alle potentiellen Vereine, die eine Wildcard beantragen, nach diesen Kriterien bewertet. Stehst du oben, bist du dabei! – so simpel das Motto. Da scheint Magdeburg als Pflaster nicht gut genug zu sein. Städte wie Skopje erscheinen den Verantwortlichen besser vermarktbar als die deutsche „Provinz“-Stadt Magdeburg. Von der Einwohnerzahl und dem europäischen Einfluss natürlich deutlich kleiner als Skopje, aber sollte nicht der Handball im Vordergrund stehen? Um die rhetorische Frage zu beantworten: Für uns Handball-Fans sind Namen wie Weber, Bezjak, Musche oder Damgaard von größerer Relevanz als die in der CL partizipierenden, Städte. Wir wollen guten Sport sehen, mit den bestmöglichen Mannschaften.
Was bleibt ist die Devise „positiv denken“. Das macht Geschäftsführer Marc-Henrik Schmedt vor wie kein Zweiter. „Der SC Magdeburg spielt nächstes Jahr wieder europäisch und gehört nun im European Cup zum Favoritenkreis. Wahrlich auch keine schlechte Perspektive“, so Schmedt auf der Homepage des SCM. Keine schlechte Perspektive, heißt im Umkehrschluss, auch keine gute. Die Aussagen sind aber verständlich, da man gegen die Spielchen des Verbandes keine Chance hat.
Abhängig vom System sind nämlich alle Teams Europas. Wer mehr Transarenz sucht, wird enttäuscht. Am Ende entscheidet die EHF, wer ins CL-Boot kommt und durch Europa schippern darf. Wir bleiben zurück, kritisieren Entscheidungen, begnügen uns mit dem EHF-Pokal und hoffen auf den großen Wurf in der zweiten europäischen Liga. Wenn ich mir eine Sache wünschen könnte, wäre das nicht mehr Transparenz, sondern ein souveräner Sieg des SCM im European Cup. Ohne Spannung für neutrale Fans – unspektakulär und unattraktiv. Dann könnte ich auf eben diesen Kommentar verweisen und sagen: „Hättet ihr die Magdeburger ‚mal bei den Großen mitspielen lassen, dann wäre mehr Würze in beiden Wettbewerben gewesen.“ Aber es heißt ja positiv denken: Ein Gewinn wäre mal wieder ein internationaler Titel, wenn auch nur der kleinere. Und wer den European Cup gewinnt, der wird ja wohl CL spielen dürfen, oder wie ist das, EHF?
elbsport.com / Johannes Sill
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